Kolumbiens Ciudad Perdida – Der Weg ist das Ziel

Selten hat mich ein Land so tief berührt wie Kolumbien. Der Samen meiner Südamerika-Leidenschaft schlummert schon seit knapp 20 Jahren in mir. Nach meinem Studium war ich zum ersten Mal auf dem Kontinent. Damals bereitete ich mich erst im Flieger auf Kolumbien und meinen Ankunftsstadt Bogota vor. Sofort war mir klar – ich muss hier umgehend weg. Raus aus diesem unsicheren Land und schnell weiter.
Wie anders ist es heute! Ich kann gar nicht schnell genug zurück nach Kolumbien. Die Vielfalt an Natur, Landschaften, Städten, Farben und Menschen. So viele Eindrücke in nur 20 Tagen. So viele Unterschiede, so viele Erlebnisse und trotzdem alles so entspannt. Ich bin verliebt in das lateinamerikanische Land und seine herzoffenen Menschen.

Ciudad Perdida | Kolumbien

Auslöser für die Reise nach Kolumbien war die Ciudad Perdida. Die verlorene Stadt. Von ihr erfuhr ich Weihnachten 2016 während meiner Wanderung zu Machu Picchu in Peru. Meine Mitwanderer erzählten von dem Weg durch den Dschungel und der Freundlichkeit der Kolumbianer. Und davon, dass man das Land, das lange unter der Gewalt rebellischer Kämpfe litt, nun bereisen könne. Zumal 2016 der Friedensvertrag mit der Farc geschlossen wurde.

Zelte des Militärs in der verlorenen Stadt | Kolumbien

Die Ciudad Perdida (verlorene Stadt) oder auch mit ihrem indigenen Namen Teyuna genannt, wurde ab 700 n. Chr. von dem Tayrona-Volk erbaut, auf einem Bergplateau in der Sierra Nevada, 80 Kilometer von der Karibikküste entfernt. Sie ist eine der größten wiederentdeckten präkolumbianischen Städte Südamerikas. Als die Spanier im heutigen Kolumbien einfielen und das geschätzt 2.000 bis 8.000 Tausend starke Volk der Tayrona durch Krankheiten und Gewalt fast komplett ausrotteten, verließen die letzten überlebenden Tayrona ihre Stadt und verschwanden in den Bergen. Das einst in der Sierra Nevada verbreitete Volk hat nicht überlebt. Ihre Nachfahren sind heute die indigenen Völker der Wiwa, Kogi, Arhuaco and Cancuamo. Ein kleiner Teil bewohnt auch heute noch die Ciudad Perdida. Erst 1975 entdeckte ein Grabräuber die Ruinenstadt, die aufgrund rebellischer Kämpfe lange nicht zugänglich war. Heute ist die einzige Form, diese Stadt zu erreichen, zu Fuß mit einer organisierten Tour in vier, fünf oder sechs Tagen.

Santa Marta | Kolumbien

Für die meisten beginnt die Tour in Santa Marta. Hier sitzt einer der lizensierten Tour Anbieter, für den ich mich schon zu Hause vor dem Computer entschieden habe. Die meisten der Gruppe hatten bereits fest gebucht. Dennoch kommen noch zwei Australier und ein Däne morgens im Büro an und werden in die bestehende Tour eingebucht. Der Rest wartet in einem kleinen Raum. Schweigsam. Niemand redet miteinander und ich versuche zu ergründen, woher die anderen Reiseteilnehmer kommen.

Maultiere werden als Transporttiere genutzt | Mamey | Kolumbien

Nach einer Stunde werden wir zusammen getrommelt und in zwei Jeeps aufgeteilt, um nach circa zwei Stunden Fahrt im Dorf Mamey anzukommen. Ein Franzose bricht das Schweigen im Jeep. Schnell stellt sich heraus, dass wir eine total internationale Gruppe sind: ein Franzose, eine Holländerin, zwei Deutsche, zwei Schweizer, eine Russin, ein Italiener, ein Däne, zwei Australier, ein Kolumbianer, eine Brasilenin, zwei Amerikanerinnen, eine Engländerin und ein Kroate. Alle sind sympathisch und offen. Viele sprechen mehrere Sprachen und haben bereits in mehreren Ländern gewohnt und gearbeitet. Auf dem Weg kommen wir uns langsam ein bisschen näher und niemand ist dabei, mit dem ich nichts zu tun haben möchte. Ein Glücksfall.

Urwald bei Mamey | Kolumbien

Der erste Tag führt uns von Mamey langsam in den Urwald anfangs auf einer – wir würden sagen Forststraße. Wir nähern uns den über und über grün bewachseneren Bergen der Sierra Nevada. Dazwischen sind immer wieder Lücken im Bewuchs zu sehen. „All diese freien Stellen wurden früher zum Coca-Anbau genutzt,“ erklärt einer der drei Führer. Seit einer ganzen Weile sei der Anbau der berauschenden Blättern von der Regierung nun schon verboten und im Norden des Landes auch einigermaßen durchgesetzt. „Die indigene Bevölkerung darf nach wie vor Coca züchten, denn es ist ein Teil ihrer Kultur und wird für Rituale benutzt,“ erfahren wir weiter.

Wanderweg Verlorene Stadt | Kolumbien

Höher und höher wandern wir unter der sengenden Sonne. Je weiter wir in den Urwald kommen, desto feuchter wird es. Ich staune über die neue Pflanzenwelt und fühle mich in einer Welt von Avatar. Riesige Blätter, Schlingpflanzen, Vögelgezwitscher. Alles ist Grün! Durchbrochen wird die Pflanzenwelt nur von dem schmalen Pfad, auf dem wir entlang wandern. Heute ist es trocken. Doch man sieht – bei Regen hätten wir ein Problem. Dann nämlich scheint sich der Pfad schnell aufzuweichen und man würde mindestens knöcheltief in den schlammigen Weg, der manchmal Terrakotta Rot ist, einsinken. Einige Stellen müssen wir geschickt umgehen. Immer wieder gibt es Trinkpausen und kleine „Kioske“, die von Kolumbianern bewirtschaftet werden. Die kühle Cola, die ich zu Hause nie trinken würde, tut gut und gibt Kraft für den weitern Weg.

erstes Camp auf dem Wanderweg zur Ciudad Perdida | Kolumbien

Nach 7,6 Kilometern erreichen wir das erste Camp. Es ist überschaubar und angenehm ruhig. Stockbetten sind nebeneinander gereiht und jeder sucht sich einen Platz unter dem Moskito Netz. Jeden Abend werden wir bekocht. Diesmal an einem langen Holztisch auf festen Boden, an dem die ganze Gruppe Platz findet. Die Sonne ist schon um 6 Uhr unter gegangen. Müde und erschöpft fallen manche früher, andere etwas später ins Bett. Aber um zehn Uhr sind alle unter ihren Moskito-Netzen verschwunden. Denn am nächsten Tag heißt es um 5 Uhr aufstehen.

Wanderung zur Verlorenen Stadt | Kolumbien

Die morgendliche Zeremonie nach dem Duschen und kräftigenden Frühstück mit Rühreiern, Obst und Toastbrot besteht aus Schmieren: Die erste Schicht ist Sonnencreme, die auf Armen und Beinen verteilt wird. Darüber kommt Nopikex – das einheimische Mückenschutzmittel, das verbunden mit der Sonnencreme eine glitschige Schicht bildet. Selten habe ich so geklebt. Aber es hilft. Nur wenige Mücken wagen sich an meinen eingeschmierten und dauer-schwitzenden Körper heran. Nur gut, dass wir jeden Abend duschen können. So wird man die schmierige Schutzschicht wieder los.

Flussüberquerung | Ciudad Perdida | Kolumbien

Am zweiten Tag überqueren wir den Fluss an vielen Passagen. Schuhe und Socken aus, Flipflops an und das erfrischend kühle Wasser mit Hilfe der Führer durchqueren. Füße möglichst ohne Sand wieder in Socken und Schuhe rein. Die andere Variante sind schwingende Brücken, die nacheinander mit genügend Abstand begangen werden.

Kogui Dorf | Kolumbien

Wir passieren ein zauberhaft gelegenes Dorf, in dem wir uns vorstellen können, wie die Tayrona früher in der verlorenen Stadt gewohnt haben und auch heute noch leben. Die Rundhäuser aus einem Holz-Gerüst sind mit Lehm ausgefüllt und mit Palmenblättern gedeckt. Meist steht ein Baumstamm in der Mitte, wird uns erzählt. Dieser dient als Feuerstelle und nachts als Wärmespender. Der Rauch des Feuers zieht durch das Palmendach ab. Schlau gemacht, denn damit wird verhindert, dass sich Ungeziefer im Dach festsetzt. Ein Ehepaar lebt nicht unter demselben Dach zusammen. Es gab Häuser für Frauen und Kinder sowie für Männer. Zu jeder Siedlung gehörten Felder mit unterschiedlichen Nutzpflanzen und Tieren – wie Hühner oder Schweine.

Häuser in der Ciudad Perdida | Kolumbien

Der Tag war lang und anstrengend mit seinen 14,7 Kilometern und so bin ich total erleichtert, als wir das zweite Camp erreichen. Nur eine Stunde ist es von hier aus bis zur Ciudad Perdida am nächsten Tag. Dementsprechend groß und umtriebig ist es daher. Die ersten Gruppen sind schon angekommen und beim Essen. Wir richten uns ein und stürzen uns abends auf das warme Mahl.

Stufen in den zweiten Bereich der Verorenen Stadt | Kolumbien

Dritter Tag: Wir sehen die verlorene Stadt! Alle sind vorfreudig. Nur eine Stunde und 1.200 Stufen nach einer weiteren Flußüberquerung trennen uns von unserem Ziel.

Ciudad Perdida | Kolumbien

Oben angekommen fehlt mir das Wow-Gefühl, das mich beim Anblick Machu Picchus glücksbeseelt hat. Teyuna ist in drei Bereiche aufgeteilt wird uns erklärt: Der erste Abschnitt diente dem Ankommen und Reinigen – der Vorbereitung um den Schamanen zu treffen. Diesen Bereich haben die Spanier nie erklommen. Die zunächst friedlichen Verhandlungen führten sie mit den Tayrona unten am Fluss. Anfangs tauschten die Tayrona Gold gegen wertlose aber für sie unbekannte Spiegel. Nach und nach erkrankten viele in der Stadt an den Epidemien, die sie durch die Interaktion mit den Spaniern einschleppten. So lehnten sie nach einer Weile den weiterem Tauschhandel mit den Europäern ab. Die Spanier, gierig nach dem Gold, griffen daher zu gewaltsamen „Überzeugungsmaßnahmen“, die so fatal endeten, dass sich die wenigen überlebenden Tayrona am Ende in die Sierra Nevada zurück zogen und die Stadt komplett zurück ließen. Nach zwei drei Jahren verwitterten die Rundhäuser und so sind heute nur noch die Terrassen und die rund abgesteckten Grundflächen der Häuser zu sehen.

Ciudad Perdida | Kolumbien

Im zweiten Bereich dominierten große Gemeinschaftshäuser, in denen Versammlungen und Zeremonien stattfanden. Die dritte Ebene war eine Art „Handwerkskammer“. Hier wurden all die Arbeiten durchgeführt, die zum täglichen Leben benötigt wurden und hier leben auch heute noch indigene Familien. Ein mögliches Treffen mit dem Schamanen war leider nicht möglich. Offensichtlich hatte er sich am Abend zuvor den gar zu weltlichen hochprozentigen Freuden hingegeben. Zusammen mit Coca hatte dies gerade zu desaströse Auswirkungen.

Kogi in der Ciudad Perdida | Kolumbien

Den Abstieg begannen wir relativ spät, was den Vorteil hatte, dass wir viel Zeit in der verlorenen Stadt hatten. Der steile und recht lange Abstieg wurde jedoch durch einen heftigen Regenschauer zur gefährlichen Rutschpartie, bei der ich mir mein sowieso noch durch den Kreuzbandriss geschwächtes Knie überdehnte. Ein Bambusstock, den wir in der Natur gefunden hatte, unterstützte mich beim Abstieg genau wie das Schweizer Päarchen, das immer auf mich schaute. Wunderbare Bergmenschen! Ich war so dankbar zu wissen, dass die beiden ein Auge auf mich hatten und mir ihre Hand zu Hilfe strecken, wenn es gar zu steil wurde. Der Rest des Abstieg war entsprechend hart und ich war dankbar, als wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit im dritten Camp ankamen.

Ciudad Perdida | Kolumbien

Genau so dankbar war ich auch, dass es die letzte Nacht war. Denn zu allem Überfluss war es das mit Abstand widerlichste Camp, in dem wir übernachteten. Die Matratzen waren voll von Sand und stanken so ekelerregend, dass ich mir mit dem „Schnuppertest“ eine neues Bett suchte, in dem es einigermaßen auszuhalten war. Wie dankbar war ich über meinen Hüttenschlafsack, den ich dabei hatte. Einige aus der Gruppe hatten von der letzten Nacht Bettwanzen mitgenommen, was mir glücklicherweise erspart blieb.

Kakaobohnen, die auf dem Weg zurück angeboten wurden | Ciudad Perdida | Kolumbien

Den letzten Tag starteten wir beschwingt, wohl wissend, dass es am Abend eine warme Dusche und so viel Shampoo und Körper-Schrubben gab, wie man wollte.

Es war eine anstrengende Tour. Ich bin froh, dass ich sie gemacht habe, denn der Weg dort hin ist einmalig. Die Gruppe war so nett, dass auch das ein echtes Highlight war. Der Eindruck, den ich von der verlorenen Stadt bekommen habe ist toll, aber in keinster Weise zu vergleichen mit dem magischen Machu Picchu. Der Ort der für mich bis heute einer der schönsten, magischsten und beeindruckendsten Orte der Welt ist. Doch den Weg zur Ciudad Perdida durch die magische Natur und den beeindruckenden Urwald – den möchte ich nicht missen!

Übrigens: Wenn du wissen willst, was eine längere Wanderung, bei der man sich komplett aus dem eigenen Alltag raus nimmt, mit einer schamanischen Visionssuche gemeinsam hat, dann lies gerne hier nach: verakubeile.com

Urwald der Verlorenen Stadt | Kolumbien

Infos:

Reiseblog: www.mangopancakes.com

Einen weiteren Einblick und eine tolle Beschreibung der Tour findet ihr auf dem Reiseblog Mango Pancakes.
https://www.mangopancakes.com/2017/12/the-lost-city-trek-in-4-days.html?view=magazine

Tour

Die Tour habe ich bei Magic Tour Colombia für rund 250 € gebucht. Sie haben einen guten Job gemacht. Ihre Packliste war sehr hilfreich und sinnvoll und ich würde sie nur noch – aber unbedingt! – um den leichten Hüttenschlafsack aus Seide ergänzen.
https://magictourcolombia.com/

Übernachtung

Die Nacht vor dem Start der Tour habe ich direkt in Santa Marta für rund 25 Euro im Aluna Casa y Café übernachtet. Die Lage in Fußnähe zum Touranbieter ist perfekt. Außerdem sind der irische Betreiber und seine Mitarbeiter ausgesprochen nett. Während der Wandertour durfte ich meinen Koffer dort vier Tage lang stehen lassen. Ansonsten finde ich Santa Marta selbst zu chaotisch und nicht hübsch genug, als dass ich dort hätte länger bleiben wollen.
https://alunahotel.com/

2 Kommentare

  1. Colin Boss
    30. März 2018 / 8:57

    Vera mein freund, this is a lovely blog. I can read small parts and fr the others am using the great Google translate. Your photography expertly captures the spirit of each destination; and your words are so true. Well done my friend. Onwards and upwards! Colin

    • Hermine
      Autor
      19. April 2018 / 17:27

      Danke Dir Colin! I am very happy to hear that you like it 🙂 Thanks for your kind feedback!

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