Auf sanften Sohlen

Hallo Birkenstöcke

Für mich waren sie immer der Innbegriff des Deutsch-Seins. Niemals hätte ich mich mit ihnen auf offener Straße blicken lassen. Mit mir in den Urlaub gehen? Auf gar keinen Fall!! Für mich sind sie nicht nur ein Accessoire. Ich verbinde Werte und eine gewisse Lebenseinstellung damit. Sie haben etwas mit Nationalstolz und dem Mangel daran zu tun. Auch Heidi Klum oder Luxusmarken, die ihnen in den vergangen Jahren Fashion-Tauglichkeit bescheinigten, konnten mich nicht von meinem abgetretenen Weg abbringen. Erst mein Kreuzbandriss und das flehentliche Bitten meiner Knie ließen mich zu ihnen stehen: meine neuen Birkenstock.

Das erste Mal ging ich mit ihnen im Alter von 20 Jahren auf Tuchfühlung. Nicht freiwillig versteht sich. Mein Vater hatte sie mir zum Geburtstag geschenkt. Ich nahm es fast als Affront. Glaubte er tatsächlich, sie würden je einen festen Platz an mein Füßen finden? Auf meine Rückfrage bestätigte er, dass sein Geschenk kein schlechter Scherz sei. Ich hätte bei meinen Studentenjob als Bedienung über Rückenschmerzen geklagt. Die neuen Schuhe könnten mich davon befreien. Tja. Da hatte er natürlich Recht. Einen Versuch war es wert, dachte ich damals. Zumal die anderen professionellen Bedienungen in weit hässlicheren schwarzen Schuhen steckten. Und siehe da – mit meinen deutschen Tretern an den Füßen bediente es sich besser und die Schmerzen waren weg.

Von da an fanden sie Einzug in mein Leben. Obwohl ich ihnen nicht viel Aufmerksamkeit und schon gar keine Pflege angedeihen ließ, waren sie nicht kaputt zu kriegen. Made in Germany – echte Qualitätsarbeit! Die nächsten Modelle kaufte ich mir freiwillig als Hausschuhe. Mit hübschem Kirsch-Dekor auf weißen Striemen machte ich mir vor, sie hätten einen gewissen Flair. Ich trennte mich erst von Ihnen als sie fast schon auseinander fielen. Die Nachfolger durften tatsächlich zum ersten Mal das Haus verlassen. Allerhand! Kurz bevor sie sich sowieso verabschiedet hätten, durften sie mit mir nach Myanmar fliegen. Dort sollten sie ihr Leben dann fristen und meinen Füßen vorher noch gute Dienste leisten. Sie waren noch nicht mal nachtragend, als ich sie versehentlich bis zum Hals in Schlamm ertränkte. Mit einem Schlauch abgespritzt hielten sie sogar meinen Bagan-Tempel-Marathon durch, von dem sich meine Freundin nach dem Besuch des dritten Bauwerks schon verabschiedet hatte.

Birkenstock auf Sardinien

Die Kür steht ihnen allerdings noch bevor. Seit drei Monaten gehe ich ausschließlich auf meinen leuchtend korallfarbenen Turnschuh-Wolken. Zu Krücken, Kleid oder Kapuzenshirt – meine Knie gehen nur mit Knallfarbe. Wie das aussieht ist mir mittlerweile völlig wurscht. Nur für den Sommer – da haben sich meine Füße Freiheit gewünscht. Flipflops sind viel zu gefährlich. Highheels jenseits jeglicher Diskussion. Selbst meine flachen Sandalen lassen mich auf dem harten Boden der Realität landen. Zaghaft riefen meine Beine also wieder nach den bewährten Birkenstock. Wochenlang kreiste ich um ein neues Modell in glänzendem Roségold. Amerikaner finden unsere deutschen Wegbegleiter spitzenmäßig. Japaner bevölkern die Münchner Gesundheitsschuh-Filiale zu Hauf. Bulgaren kaufen sie. Kolumbianer exportieren sie. Nur ich als Deutsche stehe noch nicht in der Öffentlichkeit zu ihnen. Zu den Schuhen, die Made in Germany schon seit über 200 Jahren für Qualität stehen. Den treuen Begleitern, die uns – einmal gekauft – jahrelang zur Seite stehen. Die uns einbetten und festen Halt geben. Die uns mit hochwertigen Materialien erfreuen. Die auch mal einen neuen Anstrich wagen, ohne sich dabei selbst zu verlieren. Die sich um uns kümmern und uns gut tun wollen. Ja, vielleicht sind sie nicht so schick wie die Italiener oder so lebenslustig wie die Brasilianer – aber sicher haben sie schöne Tugenden, die man nicht verstecken muss. Auch nicht auf Reisen. Und so durften sie nun mit nach Italien. Auf ihre erste Reise – deutlich sichtbar mitten an meinen Füßen. Weil ich mit ihnen sanft, sicher und sorgenfrei neues Terrain erkunden kann. Es wird erst der Anfang sein, denn ich habe in diesem Jahr noch weitere wunderschöne Reisen geplant.

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